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Interview mit Elisabeth Berger: Psychotherapie, Coaching und die heilende Kraft der Tiere

In diesem Interview spricht Elisabeth Berger über ihre Arbeit als Psychotherapeutin und Coach. Sie gibt Einblicke in die Bedeutung der systemischen Familientherapie, der Trauma-Arbeit und die Rolle ihrer Therapiehunde.

Besonders hebt sie hervor, wie wichtig es ist, Menschen auf ihrem individuellen Weg zu begleiten, ihnen zu helfen, ihre Ressourcen zu entdecken und Veränderungen in ihrem Leben zu bewirken.

Zudem erzählt sie von den einzigartigen Erfahrungen, die ihre Therapiehunde ermöglichen, und ihrer Arbeit im Bereich der Selbsterfahrung.

Elisabeth Berger im Interview

Elisabeth Berger interview

Was bedeutet es für Sie, Menschen auf ihrem individuellen Weg zu begleiten, sei es in der Psychotherapie oder im Coaching? 

Ich erlebe es als eine richtige Ehre, Menschen auf ihren Wegen ein Stück weit begleiten zu dürfen. Einige Menschen kommen, weil sie sich selbst besser kennenlernen oder ihre Untiefen ausloten wollen.

Ich begleite die Klient:innen gern, wenn sie ihre Ressourcen entdecken wollen, sich Veränderung wünschen und Gesundheit erleben möchten.  Andere Menschen kommen, weil sie einen Leidensdruck in bestimmten Lebensbereichen haben und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wollen.

Hier greife ich dann auf die Methoden der systemischen Familientherapie und der Trauma-Arbeit zurück.  Eine weitere Gruppe sind Familien, also Eltern, die mit ihren Kindern kommen, weil in Familien ungünstige Dynamiken herrschen, die sie ändern wollen, um wieder ein konstruktives Familienklima zu schaffen.

Und manche Menschen kommen in Situationen der tiefen Trauer zu mir, sie haben vielleicht enge Angehörige durch Krankheit oder Suizid verloren oder wollen den Tod ihrer Kumpantiere (Hund, Katze, Pferd, …) einfühlsam begleitet wissen.

Und im Coaching geht es meist um berufliche Felder, in denen meine Klient:innen Lösungswege suchen. 

Welche Werte sind Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig, und wie prägen diese den Umgang mit Ihren Klienten? 

Mir ist es wichtig, meinen Klient:innen auf Augenhöhe zu begegnen und ich achte die Verletzlichkeit, mit der sie zu mir kommen. Ganz wesentlich ist für mich, eine stabile und professionelle therapeutische Beziehung zu meinen Klient:innen aufzubauen. Sie ist das Fundament für die gesamte Arbeit.

Ich verstehe die systemische Familientherapie und die Traumatherapie als Unterstützung von Menschen in Lebenskrisen, als Chance für ein selbstbestimmtes Sein, als Möglichkeit, das eigene Leben (wieder) selbstwirksam zu gestalten.

Dazu stelle ich gern mein Know-how und meine Lebenserfahrung individuell für die Menschen zur Verfügung. 

Ihre Therapiehunde spielen eine besondere Rolle in Ihrer Arbeit. Was macht die tiergestützte Therapie so wertvoll, und wie profitieren Ihre Klient:innen davon? 

Viele Menschen haben eine tiefe Verbindung zur Natur und da gehören Tiere dazu. Kinder haben da oft einen ganz natürlichen Zugang zu den Hunden und dadurch kann sofort „Beziehung“ und Wohlbefinden entstehen.

Wissenschaftlich ist das mit den sogenannten Spiegelneuronen und der Ausschüttung von Oxytocin, einem Bindungshormon, erklärbar.  

Wir Menschen und Tiere teilen das phylogenetisch uralte Netzwerk von Kerngebieten im Vorder- und Mittelhirn, welches die Hormone produziert und Sozial- und Stressverhalten reguliert.

Neue Forschungen zeigen, dass Stress über Sozialbeziehungen reguliert wird und mit unseren Kumpantieren (unseren Heimtieren und anderen Säugetieren) teilen wir das Neuropeptid Oxytocin. Durch sanfte Berührungen und das Streicheln der Tiere verlangsamen sich die Atmung und die Herzfrequenz, Anspannungen lassen nach und Menschen fühlen sich sofort geborgen – „Beziehung ist praktisch in der Sekunde entstanden“ und das gibt Sicherheit. 

Das ist etwas, was die Arbeit mit den ausgebildeten Therapietieren so einzigartig macht. 

Elisabeth Berger: Wie Therapiehunde Klient:innen unterstützen

Elisabeth berger psychotherapeutin

Haben Sie eine besondere Erfolgsgeschichte, bei der Ihre Therapiehunde eine entscheidende Rolle gespielt haben? 

Meine Hunde arbeiten als Co-Therapeut:innen immer gern dort mit im Boot, wo das Thema „sichere Bindung und Begegnung“ ermöglicht werden soll. Eigentlich ist jede Situation einzigartig und besonders, denn die Hunde arbeiten autonom und entscheiden selbst.

Wenn Klient:innen tief in Trauer sind, kommen die Tiere und spenden Trost, stupsen sie an oder bringen ein Spielzeug zur Ablenkung.

Marc Bekoff, ein amerikanischer Forscher, der das Gefühlsleben der Tiere untersucht, argumentiert wissenschaftlich korrekt und emotional engagiert, dass Tiere Sorge, Freude, Wut, Vergnügen und andere Gefühle ganz ähnlich wie wir selbst empfinden.

Einige meiner Patient:innen erleben durch die Tiere einen mitfühlenden und respektvollen Umgang mit ihren Emotionen und sprechen das auch an. Das sind für mich immer wieder die kleinen Wunder im Berufsalltag.

Ich bin meinen Tieren zutiefst dankbar für ihre liebevollen Gefühle, die sie Menschen entgegenbringen.

Die Hunde werden sehr gezielt zu den Sitzungen gerufen und nach den österreichischen Vorgaben des Messerli Institutes (Vet Med Uni Wien) höchsten zweimal pro Woche für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt, damit sie ihr eigenes Gleichgewicht gut halten können. 

Sie bieten Selbsterfahrung im Rahmen des psychotherapeutischen Propädeutikums an. Was können Teilnehmer:innen aus diesen Sitzungen für ihre persönliche und berufliche Entwicklung mitnehmen? 

Selbsterfahrung im Rahmen des Propädeutikums ist obligat. Das Psychotherapeutische Propädeutikum ist in Österreich seit 1992 der erste Teil einer zweistufigen Ausbildung zum Psychotherapeuten.

Die Studierenden lernen Tools zur Selbstreflexion und Selbstexploration. In Heilbehandlungen werden sie dann später ihre eigenen Patient:innen empathisch durch heikle Themen führen und sie bei der Ressourcenarbeit im Erkennen eigener Stärken unterstützen.

Diese Prozesse vorher selbst erlebt zu haben, ist eine wichtige Voraussetzung für die spätere berufliche Arbeit. 

Gibt es einen besonderen Erfolg aus Ihrer Arbeit, den Sie mit uns teilen möchten? 

Im Rahmen meiner beruflichen Entwicklung hat sich ganz natürlich eine Spezialisierung auf die Arbeit mit „Trauma“ herausgebildet. Man könnte Trauma als schwere „seelische Verletzung“ erklären, die durch außergewöhnlich belastende Ereignisse hervorgerufen wird.

Dabei kommt es im Gehirn durch Schutzreaktionen zu einer ganz besonderen Verarbeitung bzw. nicht Verarbeitung der erlebten Informationen.

In der Traumatherapie, die in der Zwischenzeit sehr gut erforscht ist, können wir mit imaginativen Verfahren und strukturierten Methoden  (EMDR) eine neue Verarbeitung im Gehirn bewirken, sodass die Erlebnisse gut integriert werden und das Erleben von extremen Belastungen im günstigsten Fall sogar verschwinden kann.

Es ist jedes Mal sehr spannend und unglaublich bereichernd, wenn in der gemeinsamen Arbeit mit den Patient:innen Erinnerungsfragmente des Traumas mittels der speziellen Trauma-Methoden wieder zusammengefügt werden können.

Ich bin so begeistert von der Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns.

Wenn dann die Patient:innen die Erinnerungsteile wieder integrieren können, wenn sich im Inneren eine zusammenhängende Geschichte ergibt, die auch mit den dazugehörigen Emotionen gefühlt werden kann, ein „Es ist vorbei“ wahrgenommen werden kann, dann tritt eine tiefe Entspannungsreaktion ein, die sichtbar ist.

Dies ist dann oft der Moment, wo mein Therapiehund ganz tief ausatmet und dann weiß ich „Jetzt sind wir am Punkt“!

Und diese Momente sind „besondere Erfolge in der Arbeit“, bei denen ich Zeugin von heilsamen Leistungen werde, die die Patient:innen in sich selbst bewirken.  

Elisabeth Berger und ihr Schritt in die Selbstständigkeit

Elisabeth berger coach

Was hat Sie dazu inspiriert, sich in der Psychotherapie selbstständig zu machen?  

Ich war lange Jahre im Angestelltenverhältnis und bin sowohl dem Arbeitgeber als auch dem System sehr dankbar für diese Erfahrungen. In der Selbstständigkeit bin ich frei in meiner Wahl, wann und wie viel ich arbeite, und diese Optionen genieße ich sehr.

Ich kann ebenso selbstständig entscheiden, welche Fortbildungen ich mir gönne. Dadurch ist es möglich, immer wieder bei neuen Entwicklungen mitzugehen, und der Beruf bleibt spannend. 

Wie schaffen Sie es, bei so vielfältigen Tätigkeitsfeldern den Überblick und Ihre eigene Balance zu bewahren? 

Wir machen als Mensch-Hunde-Team bewusst lange Spaziergänge in der Natur. Die Leser:innen, denen der Begriff „Waldbaden“ etwas sagt, wissen sicherlich, wovon ich spreche.

Die Bäume schütten „Terpene“ aus, also Duftstoffe aus, die eine entspannende Wirkung auf unser Hormon- und Stresssystem haben. Schöne Landschaften beruhigen uns tief in der Seele. Dazu hat der Österreicher Clemens Arvay ein wundervolles Buch „Der Biophilia Effekt“ geschrieben.

Diese „stillen Zeiten“ sind der Ausgleich zu den intensiven Begegnungszeiten, dem Mitspüren von Schicksalen von Menschen. Die Natur tankt uns dann mit ihrer wortlosen Sprache, ihren Gerüchen, Klängen, Farben und ihrer sanft umhüllenden Atmosphäre immer wieder voll auf.  

Mein Leitprinzip ist die „Ehrfurcht vor dem Leben“ von Albert Schweitzer: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Dies bedeutet, dass wir der Menschheitsfamilie Achtung und Respekt entgegenbringen sollen und auch unserer gesamten Mitwelt, den Tieren, den Pflanzen, dem Wasser,… – einfach allem was lebt.  

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