Claudia Lechner hat viele Jahre als Buchhalterin gearbeitet, bevor sie ihrem inneren Ruf folgte und Shiatsu zu ihrem Beruf machte. Ihre persönliche Geschichte ist geprägt von mutigen Entscheidungen, einer tiefen Suche nach Sinn – und einem Moment, der alles veränderte.
Im Interview spricht sie darüber, wie sie das Prinzip des „Wuwei“ lebt, warum achtsame Berührung heilsam sein kann und wie sie mit viel Herz auch Babys und Kinder begleitet. Besonders berührend: Ihre Sicht darauf, was echte Veränderung auslöst – und wie sie den Erfolg ihrer Arbeit erkennt.
Interview mit Claudia Lechner
Was hat Sie dazu bewegt, Shiatsu zu praktizieren, und wie haben Ihre persönlichen Erfahrungen Ihre Herangehensweise beeinflusst?
Ich war Buchhalterin und lange Zeit sehr zufrieden damit, ich übte diesen Beruf auch sehr gerne aus. Ab dem Jahr 2013, bedingt durch sehr schwierige, persönliche Herausforderungen, begann ich allerdings meine Rolle als Buchhalterin in unserem Wirtschaftssystem immer mehr zu hinterfragen.
Bis ich dann im Jahr 2016 unserem laufenden Getriebe nichts mehr abgewinnen konnte und beschloss mir einen neuen, für mich auch sinnstiftenden Beruf zu suchen.
Die Suche dauerte lange, ich probierte viele alternative Formen an mir aus, fand aber nichts, das mich wirklich begeisterte. Bis eine Freundin von mir ein Projekt mitorganisierte –
„Frauen ab 50“, in dem verschiedenste Kurse angeboten wurden. Auf Grund eines Ausfalls durfte ich dann, trotz meiner erst „48“ Jahre an einem Workshop-Nachmittag über die 5 Elemente und Shiatsu teilnehmen.
Es wurde eine kurze Sequenz Shiatsu zum Üben vorgezeigt und bei der ersten Berührung, an einer „Klientin“ war es um mich geschehen, mein Herz schlug höher und ich wusste: DAS IST MEIN BERUF“.
Einen Monat später habe ich mir eine kleine, für mich passende, Schule herausgesucht, mich angemeldet und Anfang Mai 2018 begann mein Weg zum Shiatsu. Ich liebe es auch heute noch und habe meine Entscheidung keine Sekunde bereut.
In Ihrer Praxis betonen Sie das Prinzip des „WUWEI“ – wie setzen Sie dieses Konzept in Ihren Behandlungen um?
WUWEI – ein sehr interessanter Begriff, er bedeutet im chinesischen „NICHTSTUN“,
„NICHTHANDELN“. Das heißt aber nicht, dass man nichts tun soll, sondern zielt darauf ab, ohne Absicht zu handeln.
Im speziellen beim Shiatsu bedeutet es – für mich – zu erspüren, zu erfühlen was der Körper der Klient:innen in diesem Augenblick benötigt, wo die Berührung gerade wichtig ist.
Es bedeutet auch diesen Körper wertzuschätzen und ihn nicht zu manipulieren, sondern anzunehmen, was gerade ist. Schon durch das Annehmen geschieht Veränderung.
Welche Rolle spielt die achtsame Berührung in Ihrer Arbeit, und wie trägt sie zur inneren Balance Ihrer Klient:innen bei?
Shiatsu, das ja übersetzt Fingerdruck heißt, setzt auf achtsamen Druck. Durch diesen Druck wird vor allem der Parasympathikus stimuliert. Der Parasympathikus ist der Teil unseres vegetativen Nervensystems, der die unbewussten Körperfunktionen steuert.
Das heißt, er steuert z.B. den Herzschlag, die Atmung und auch die Verdauung. Er dient der Regeneration, kurbelt den Stoffwechsel an und sorgt dafür, dass wir uns gut erholen können.
Durch die Schnelllebigkeit unserer Zeit, dadurch das sehr viele Menschen kaum mehr qualitative Erholung finden und auch in ihrer freien Zeit den Sympathikus puschen, fehlt die tatsächliche Regeneration des Körpers, wodurch es zu Dauerstress kommt.
Und da kommt die achtsame Berührung ins Spiel. Der achtsame Druck von Shiatsu regt über die Haut die Körpersensoren an, die den Parasympathikus stimulieren.
Claudia Lechner: wie Babyshiatsu und das Samurai-Programm Kinder stärken
Sie bieten auch Babyshiatsu und das Samurai-Programm für Kinder an – wie unterstützen diese Angebote die Entwicklung von Kindern
Babyshiatsu und das Samurai-Programm sind recht unterschiedliche Herangehensweisen, daher werde ich sie getrennt beantworten.
Babyshiatsu: ist meine absolute Herzenssache.
Es ist so wunderbar, eine Technik an der Hand zu haben, die sehr effektiv, und so einfach zu handhaben ist, dass man sie den Eltern wunderbar mit an die Hand geben kann. Somit ist es ein wunderbarer Start ins Leben.
Babyshiatsu, erarbeitet von Karin Kalbanter-Wernicke und Thomas Wernicke, ist die Verbindung von neurophysiologischen Erkenntnissen und traditionellem, japanischem Wissen. Ich gebe den Eltern Techniken und „Zauber“punkte“ an die Hand, die sie auch zu Hause wunderbar anwenden können.
Samurai Programm: kann durch speziell geschulte Shiatsu-Praktikerinnen in Kindergärten, Schulen und überall wo Kinder zusammenkommen erlernt werden.
Es geht darum, dass sich Kinder spielerisch wahrnehmen lernen, ihre Grenzen kennenlernen (ohne eigene Grenzen, kann man auch die Grenzen anderer nicht akzeptieren). Es fördert die Aufmerksamkeit und die Konzentrationsspanne, die Tiefenwahrnehmung und es ermutigt zur Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung.
Wie integrieren Sie ergänzende Methoden wie Schröpfen, Moxibustion und Zen-Meditation in Ihre Shiatsu-Behandlungen?
Wenn ich während einer Behandlung feststelle, dass weitere Techniken angezeigt sind, verwende ich auch Techniken wie z.B. Moxa und Stimmgabeln. Schröpfen kann bei einer Shiatsubehandlung nur auf akuten Punkten angewandt werden.
Sollte es nötig sein, vergebe ich fürs Schröpfen extra einen Termin. Zen-Meditation wende ich mit Klient:innen zu Beginn einer Sitzung an, wenn der Stresslevel sehr hoch ist, oder zum Ende einer Sitzung, um es zu erklären, damit die Klient:innen auch zu Hause meditieren können.
Was bedeutet für Sie Erfolg in Ihrer Arbeit, und wie messen Sie die Wirksamkeit Ihrer Behandlungen?
Den Erfolg einer Behandlung sehe ich schon, sobald die Klientin nach der Behandlung entspannt meine Praxis verlässt.
Es ist ein Erfolg, wenn sich Verspannungen lösen und Symptome leichter werden.
Shiatsu arbeitet nach, daher kann ich nicht immer sofort feststellen, wie die Wirkung für die jeweilige Klientin ist. Ich finde Feedback, auch einige Tage nach der Behandlung, durch die Klient:innen sehr wertvoll, da ich darauf aufbauen kann, mich am Erfolg erfreuen kann, und wenn nötig auch reflektiere und sehen kann, was ich noch lernen und verbessern darf.
Meine größte Freude ist es allerdings, wenn ich sehe, dass Klient:innen wieder mit sich selbst in Kontakt kommen, wenn sie beginnen sich wieder gut zu spüren, wenn sie wieder die Verantwortung für ihren Körper, ihren Geist und auch ihre Seele entwickeln.